❶❾❸ Es gibt Orte, die vergesse ich nie. Einer davon ist die Stadt Valladolid, eine Stadt dazwischen und gleichzeitig mittendrin. Sie liegt zwischen den touristischen Hotspots Ávila, Salamanca, dem Ribera de Duero und Segovia. Als Hauptstadt der Comunidad Castilla-León steht sie mittendrin und ist Zentrum des verdadero Castellano (der korrekten spanischen Sprache). Neben ihrer urbanen Modernität hat sie ihr historisches Erbe hervorragend erhalten, und sie ist ein Angelpunkt für Wissen und Kultur.
Seine Majestät, Felipe II. (1527-1598), der Erbauer des El Escorial ist hier zur Welt gekommen. Der durch ihn restaurierte Marktplatz zur ersten Plaza Mayor (Hauptplatz) dieser Art im Königreich war Beispiel für jene in Salamanca, Madrid und weiteren Städten. Das grosszügige Ausmass mit den über Arkaden stehenden Häusern rund um den Platz und dem darin integrierten Rathaus ist beeindruckend. Er wurde bald zum Schmelztiegel von politischen Debatten, kulturellen Veranstaltungen, geschäftlichem Treiben und alltäglichen Begegnungen. Bei der letzten grossen Renovation wurden die Autos in die neue Tiefgarage unter dem Platz verbannt. In der Altstadt erhielten die einst grauen Gebäudefassaden warme Farbtöne, und in der grosszügigen Fußgängerzone lässt sich herrlich flanieren und “lädele”, wenn es dich gelüstet.
Angrenzend an die Altstadt steht das Colegio (Internatsschule) de San Gregorio mit seinen unübersehbaren plateresken Fassaden im typischen Stil aus der frühen Zeit der spanischen Renaissance. Dieses Kloster beherbergte ab 1496 eine berühmte Theologieschule für angehende Dominikanermönche. Für die umfassende Bildung besuchten die Studenten die nahe gelegene Universität, deren Tore bereits 200 Jahre früher öffneten. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts war die Klosterschule nicht mehr gefragt, und das Gebäude blieb für lange Zeit leer. In Valladolid sorgte man sich um den Zustand des wunderschönen Chorgestühls und weiteren Fragmenten der Hochblüte des Colegios. So wuchs die Idee, ein Skulpturenmuseum einzurichten. Heute sind hier die schönsten Skulpturen des Landes, die heimatlos wurden, ausgestellt. In der Osterwoche dürfen sie für die Prozessionen ausgeliehen werden. Für mich, als nicht ausgesprochene Museum Crack, ist dieses Museum eine wahrhaftige Schatzkammer.
Valladolid spielte bei der Entdeckung und der Entwicklung der spanischen Sprache eine entscheidende Rolle. Deshalb ist es auch kein Zufall, dass sich Spaniens Dichterfürst Miguel de Cervantes (1547-1616) in der Stadt niederliess, um am berühmten Don Quijote zu schreiben. Seine Bronzestatue steht prominent vor der Plaza de la Universidad, und das Casa de Cervantes (Cervantes-Haus) samt Garten war während langer Zeit eine öffentliche Bibliothek. Heute ist es Begegnungsstätte für Literaturfreunde und für jene, die sich inmitten der pulsierenden Stadt den Moment in einer Oase der Stille gönnen möchten. Wieder fit und zu neuen Taten bereit, lockt die nahe gelegene Academía de la Caballeria, das einst Zentrum für die spanische Kavallerie war und nun das Museum für das Pferd beherbergt. Das Haus steht neben der Plaza de Zorilla, gewidmet dem Poeten José Zorilla (1817-1893).
📜 40 Jahre, nachdem ich hier Spanien, seine Sprache, Kultur und das Alltagsleben kennen lernte, bin ich zurückgekehrt und staunte nicht schlecht, als ich feststellte, dass doch einige Dinge gleich geblieben sind. So werden in den meisten Geschäften der 300’000 - Seelen Stadt Punkt 14.00 Uhr die Läden heruntergelassen und die Museen zugesperrt. In der Grossstadt beginnt die Siesta. Es ist Zeit für den ausgiebigen Spaziergang in den Campo Grande (grosser Stadtpark) wo unter den alten Bäumen die Pfaue spazieren, die Blumenrabatten gepflegt und die Skulpturen geputzt sind. Es riecht ein wenig nach frisch verrottetem Holz, und durch die Baumwipfel dringen die Sonnenstrahlen.