❶❾❷ Das weltgrösste Kloster des Siglo de Oro (goldenes Zeitalter) ist das Vermächtnis des einst mächtigsten spanischen Königs, Felipe II (1527-1598) aus der Familie der Habsburger. Seine Machtfülle umfasste Spanien, Portugal, Gebiete von Italien, Österreich, Preussen, Niederlande bis zu den britischen Inseln, die eroberten Gebiete von Mittel- und Südamerika, und die unter seiner Ägide eroberten und nach seinem Namen benannten Philippinen. Es heisst mit ganzem Namen El Real Sitio de El Escorial. Man nennt es auch das 8. Weltwunder.
Felipe war streng katholisch. Seine Truppen siegten 1557 am 10. August, dem Tag des San Lorenzo (Heiligen Laurentius), in St. Quentin über die Franzosen. Er schwor sich, zum Dank an diesen denkwürdigen Tag, ein ewig strahlendes Werk erschaffen lassen. Er befragte seine Berater und Sterndeuter, dann beauftragte er die besten Architekten und Baumeister seines Reichs. So kam es, dass 1563 in El Escorial (Die Abfallhalde) mit dem Bau begonnen wurde. Der Ort befand sich etwas abseits der von ihm kürzlich ernannten Hauptstadt Madrid.
Felipe war als Mensch eher zurückhaltend und bescheiden. Obwohl die Anlage mit Schloss und Kloster in der Zeit der Renaissance erstellt wurde, die für ihre Ausschweifungen und Lebensfreude bekannt ist, erscheint sie eher kühl und sachlich. Einzig liess es sich der Bauherr nicht nehmen, die berühmtesten Künstler aus seinem Reich einzuladen und den Palast mit Gemälden und Stuckaturen auszuschmücken. Nach der Legende starb der Heilige Laurentius auf einem Gitter den Feuertod. Der Baukomplex erhielt die Form eines Gitters mit den 2’000 Räumen für das Kloster und die privaten Gemächer am Rand, die Kirche eingebettet in der Mitte.
So richtig mulmig zu Mute wurde es mir, als wir in den Untergrund abstiegen, denn eine zentrale Bedeutung nahm für Felipe der Bau der Pantheons ein. Die königliche Familie sollte eine ruhmreiche Gedenkstätte erhalten. So war es seit über 100 Jahren in Dänemark Sitte, und so soll es künftig auch in Spanien sein. In den Räumen unter der Erde wurde das Pantheon der Könige und ihren Ehefrauen, die wiederum Könige zur Welt brachten, ausgehoben. Auf der rückwärtigen Seite entstand der Pantheon der Infanten mit mehreren Kammern, wo Geschwister, Verschwägerte und einige ausgewählte Persönlichkeiten des Reichs ihre letzte Ruhestätte finden sollten. Eine besonders schöne Anlage in der Form eines mehrstufigen Turms wurde für die verstorbenen Kinder entworfen. Diese Grabstätten werden bis Heute genutzt. Vor der definitiven Ruhestätte werden die Mitglieder der königlichen Familie in dem durch die Mönche gepflegten und für uns nicht zugänglichen Pudriero (Verwesung Kammer) während 50 Jahren aufgebahrt. Zurzeit warten dort die Eltern des Altkönigs Juan Carlos I auf ihren Platz im Pantheon.
📜 Meistens kehren die Besucher des Escorials nach der Besichtigung, und vielleicht, dem Spaziergang durch die bewaldete Umgebung, nach Madrid zurück und verpassen eine schöne Attraktion. Etwa drei Kilometer westlich über dem Wald, in Richtung Ávila, liess sich Felipe einen Sitz in den Felsen hauen. Dorthin zog er sich regelmässig zurück und konnte den Bauverlauf überblicken. In der Nähe des Klosters war das nicht möglich, denn rund herum wuchsen die Gebäude für die Bauleute und die Werkstätten. Ich bin mir nicht sicher, ob er überhaupt ein Fernrohr nutzte oder einfach den Anblick genoss. Für mich war es einfacher, nahm das Natel, stellte auf Zoom und kann bestätigen. Auch aus der Ferne betrachtet, ist El Escorial ein Weltwunder.