⓿❾❸ Spanien hat eine beträchtliche Anzahl schöner, kleiner Städte und Dörfer. Sie liegen meist auf dem Weg zu grösseren, bekannteren und illustreren Orten. Oftmals sind sie bestens geeignet für den entspannten Zwischenhalt auf der Reise oder für die Übernachtung unterwegs. Ein solcher Ort ist das ehemals strategisch sehr bedeutende Puebla de Sanabria in der nordwestlichen Provinz Zamora.
Dem im Fadenkreuz zwischen den ehemaligen Königreichen Galizien und dem zentralen Kastilien, sowie auf einer der früheren Hauptrouten nach Portugal gelegenen Dorf auf der privilegierten Hügelkuppe über der Mündung der beiden Flüsse Tiera und Castro ist der Stolz förmlich anzusehen. Wir spazieren an behäbigen Steinbauten entlang, den breiten, gepflasterten Weg nach oben bis zur Kirche und der mittelalterlichen Burg, die während ihrer aktiven Zeit immer wieder anderen Herren zu dienen hatte. Regelmässig wurden hier innerspanische Querelen um die Vorherrschaft der wichtigen Verkehrswege angezettelt.
Eine zentrale Bedeutung hatte das Dorf, das als Ganzes einer Festung ähnelt, in den Kriegen mit dem angrenzenden Portugal. Zwischen 1610 und 1616 stand es sogar unter portugiesischer Flagge. Als 1809 auch die Vasallen von Napoleon aus der Gegend abzogen, fühlte sich niemand der Burg und dem historischen Ortskern verpflichtet, die gesamte Anlage zerfiel, bis gegen Ende des 20. Jahrhunderts die Europäische Union dessen architekturhistorischen Wert erkannte und die Gelder für die Sanierung zur Verfügung stellte.
Ab 1492 war Puebla de Sanabria Standort eines “Trockenzollamtes”, wo alle Waren, die mit Eselskarren von den galizischen Häfen auf das spanische Festland geführt wurden, ordentlich verzollt werden mussten. Die Dorfbewohner wollten sich ebenfalls ein Stück dieses lukrativen Handelsgeschäfts ergattern. Sie zeigten sich findig und organisierten am Samstag, jeweils nach der Messe, einen Markt auf dem Zollgelände, wo sie ihre produzierten Waren von Haus und Hof, vorwiegend selbst hergestellte Leinenstoffe, feilboten. In geschäftlichen Dingen nicht sehr erfahren, wurden sie oft von fremden und geübten Kaufleuten übertölpelt.
Die Umgebung des Dorfes ist Naturschutzgebiet mit dem grössten Gletschersee Spaniens. Der Lago de Sanabria misst eine Fläche von 318 Hektaren und eine Tiefe von 53 Metern. Aktuell leidet auch hier die Natur sehr unter der grossen Trockenheit und der Waldbrände in der Umgebung. Ebenfalls hat der Iberische Wolf (Canis lupus signatus) hier seine Heimat. Er ist mit dem europäischen Grauwolf verwandt, doch etwas schmaler gebaut als dieser. Nachdem er nahezu ausgerottet war, wurde vor 50 Jahren sein Abschuss untersagt. Seit dem 22. September 2021 steht er auf der Liste der streng geschützten Tiere in Spanien, sein Abschuss wird offiziell mit 6’000 Euro gebüsst.
Die Ausstellung in der renovierten Burg über das Dorf, seine Geschichte und seine Umgebung ist sehr interessant. Wechselnde Fotoausstellungen lockern die Informationen über die teils belastende Historie elegant auf. Auf dem Rückweg von der Burg hinunter zu den Bars mit der willkommenen Erfrischung empfehle ich dir den Halt im Museum der Giganten und Grossköpfe (Museo de Gigantes y Cabezudos). Die historischen Persönlichkeiten, die einmal pro Jahr durchs Dorf getragen werden, sind in Übergrösse hier ausgestellt, und die einheimische Verantwortliche für diese 26 teilweise fast beängstigenden Figuren, weiss viele Details über sie und erzählt sie liebend gerne.