❶❼❸ Willst du das authentische Andalusien erleben, dann fahre nach Jeréz de la Frontera. Die Stadt liegt eine Autostunde von Sevilla entfernt Richtung Südwesten. In der Altstadt riecht es nach Orangenblüten, ihrem berühmten Sherry-Wein und nach Pferden. Die Patios sind mit Blumen und Pflanzengirlanden geschmückt, die Menschen strahlen Fröhlichkeit aus, und ihre typischen Kleider sind rauschend und bunt. An der grossen Uhr auf der Plaza de Asunción (Platz der Maria Himmelfahrt) fehlen die Zeiger. Als wäre die Zeit stehen geblieben.
Ich dachte lange, “de la Frontera” (an der Grenze), der Zuname von Jeréz und zahlreichen weiteren Gemeinden in der Region, habe etwas mit der Grenze zum Meer zu tun. Dem ist nicht so. Hier fanden während mehreren Jahrhunderten kleinere und grössere Kriege und Scharmützel zwischen den Mauren und den Christen statt. Oftmals wussten nicht einmal die Menschen selbst, zu welcher Obrigkeit sie gehörten, bis die Truppen von Kastilien und Aragón dem Ganzen ein Ende bereiteten. Ab Mitte des 13. Jahrhunderts wurden die Gebiete Andalusiens definitiv von christlichen Autoritäten geführt.
In der Stadt wohnen aktuell rund 212’000 Menschen. Sie arbeiten im Industriegürtel, der sich in den letzten Jahrzehnten in der Region ausgebreitet hat. Sevilla und Cadíz mit der grossen Handelsschifffahrt sind nahe. Das zieht Firmen an und generiert Arbeitsplätze. Die königlich andalusische Reitschule und die berühmte Pferdezucht sind wirtschaftliche und touristische Highlights. Sie geben überdies der Stadt ein herrschaftliches Ambiente, denn am Rand der Altstadt säumen prächtige Palastbauten die Strassen, unterbrochen durch grosszügige Plätze mit Brunnen und Wasserfontänen.
Zusammen mit dem Flamenco ist der Vino de Jeréz der eigentliche Exportschlager der Stadt. Rund um die Stadt werden seit jeher Rebkulturen gepflegt, daraus Wein gekeltert, und dieser wird exportiert. Die Engländer lieben ihn besonders, sie nennen ihn Sherry. Der Berühmteste ist “Tio Pepe” von der Firma Gonzalez-Byass. 1854 taten sich der erfolgreiche Weinproduzent Manuel Maria González mit dem englischen Unternehmer Robert Blake Byass zusammen. Sie wollten eine neue Kreation lancieren. González holte sich Rat bei seinem Onkel, der das Handwerk der Weinherstellung bestens kannte. Zum Dank erhielt der etwas herbe Jeréz aus der regionalen Weissweintraube Solera den Namen des Onkels. Der Sherry wird in kleine Gläser eingeschenkt, der weisse und herbe zum Apéro und der dunkle, schwere und süsse nach dem Essen, langsam und mit Bedacht genossen.
📜 Wegen der Nähe der grösseren Zentren Sevilla und Cadíz wird Jeréz auf den Reiserouten oft nur gestreift oder gar nicht berücksichtigt. Das finde ich sehr schade. Ich kehre immer gerne nach Jeréz zurück und erlebe die Stadt als eigenständig, lebendig und sehr sehenswert mit einem authentischen andalusischen Ambiente.