⓿❾❺ “Herrgott, was habe ich da angerichtet, ihr habt zerstört, was Einzig war.” Dies war der erschrockene Ausruf von König Ferdinand II von Aragón bei seinem ersten Besuch 1492 in Córdoba. Nachdem seine Truppen ganz Andalusien der islamischen Herrschaft entrissen hatten, gab er den Befehl, alle zentralen Einrichtungen der Vorgänger zu zerstören, die Gebetshäuser dem Erdboden gleich zu machen und darauf schöne Kathedralen zu errichten. Die neue Macht sollte zementiert werden.
Ferdinand liess den Abriss umgehend stoppen. Ich danke es ihm, denn er hinterliess der Nachwelt ein einzigartiges und unfassbar schönes Bauwerk, eine grandiose islamische Gebetshalle mit einer darin integrierten Renaissance-Kathedrale. Für mich ist die Mezquita das Non plus Ultra in dem sich 700 Jahre Kultur, Geschichte und Macht vereinen. Zusammen mit der Alhambra in Granada und des Alcazar in Sevilla ist sie das dritte herausragende Bauwerk des al-Andalus, des islamischen Spanien.
Im Jahr 785 begann der Bau der Mezquita und gleichzeitig die Zeit der Hochblüte der Stadt. Wie damals üblich, wurden regionale Materialien und Säulen der vergangenen Herrschaft der Römer verwendet. 48 Jahre später wurde sie ein erstes Mal erweitert. Als 929 Córdoba eigenständiges Kalifat wurde, war der Platz in der Gebetshalle erneut knapp, zwei Erweiterungen folgten 962 und 986. Córdoba war zu dieser Zeit die vermutlich reichste und modernste Stadt der westlichen Welt, deren Einflussbereich weit in den arabischen Raum hinein reichte. Einem Brief aus dieser Zeit entnehme ich folgendes: …”Es ist ein reiches Land voller Flüsse, Quellen und Wasserleitungen: ein Land von Getreide Öl und Wein und allen erdenklichen Köstlichkeiten, mit Lustgärten und Obstplantagen mit Bäumen voll Früchten aller Art, auch solchen von deren Blättern sich die Seidenraupen ernähren. Unser Land hat auch Berge, mit Silber, Gold, Kupfer, Eisen, Zinn, Blei, Schwefel, Porphyr, Marmor und Kristall. Kaufleute kommen hierher und Händler aus allen Enden der Erde, aus Ägypten und benachbarten Ländern. Sie bringen Gewürze, Edelsteine, herrliche Waren…” Córdoba war auch Stadt der Künste, der Wissenschaft, der Philosophie und der Kultur. Sie vereinigte all jene Reichtümer, die man sich im Paradies vorstellt.
Genau das ist mein Eindruck, wenn ich die Mezquita, die unzähligen Marmorsäulen mit ihren doppelstöckigen Hufeisenbögen bestaune, ihnen entlang spaziere und zum prunkvoll ausgestatteten Mihrab (Gebetsnische) mit seinen Goldgrundmosaiken und der Rippenkuppel vordringe. In der Mitte der Gebetshalle wurde die christliche Kathedrale eingebaut, ihr mächtiger Chor und der Kranz mit den 30 Kapellen sind einmalig. Die ganze Anlage wirkt nicht nur von aussen, sondern auch von innen majestätisch. Seit 1882 bereits steht sie unter nationalem Denkmalschutz, und die UNESCO hat sie 1984 zum Weltkulturerbe erklärt. Eine Besonderheit, die nicht gleich auffällt: das südliche Tor heisst Puerta de Leche (Milchtor), ein Vorläufer der Babyklappe. Dort wurden im Mittelalter die Findelkinder abgelegt, in der Hoffnung, dass sie gefunden und ernährt würden.
Besuchst du die Mezquita, es gibt auch nachts Führungen, wirst du erstaunt sein. Trotz des grossen Andrangs hast du genügend freien Raum, dich in Ruhe umzusehen. Ausserdem sind die Informationen sehr umfassend, an der Plakatwand oder mit Audioguide. Nach der Mezquita führt dich der entspannte Spaziergang zu den Patios, die hübschesten Innenhöfe Andalusiens im ehemaligen Judenviertel, ganz in der Nähe.