Tarifa - du ahnst den Ruf des Muezzins

❶❶❻ An der südlichsten Spitze des spanischen Festlandes liegt die Stadt Tarifa. Sie ist in mehrerer Hinsicht eine untypische spanische Stadt. Hier sind das Klima, die geografische Lage, seine Geschichte und das heutige Leben in der Stadt schon auf den ersten Blick anders als in anderen Küstenregionen der Iberischen Halbinsel.

Tarifa liegt direkt im Schnittpunkt zwischen dem gemässigten Klima des Mittelmeerraums und den höheren Wellen des Atlantiks. Deshalb weht hier ständig ein Wind, entweder der kühle Levante aus dem Osten oder der etwas mildere Poniente aus dem Westen. Die leichte Jacke gehört auch im Sommer zum obligatorischen Tagesgepäck. Einzig im heissen August bleibt es für einige Tage windstill. Vor der Stadt liegt die Strasse von Gibraltar, und auf der gegenüberliegenden Seite, in einer Entfernung von 14 Kilometern, beginnt mit Marokko der afrikanische Kontinent. Bei klarer Sicht ist die Silhouette des marokkanischen Grenzgebietes gut sichtbar.

Die Geschichte Tarifas weist für mich einige zentrale Punkte auf, die auch belegt sind. Im Jahr 710 überquerte der berberische Feldherr Tarif Abu Zara die Meerenge von Gibraltar, gab Tarifa seinen heutigen Namen und läutete die 704 Jahre dauernde maurische Präsenz von Al Andalúz ein, die mit der Vertreibung der letzten Mauren am 20. Februar 1614 endete. Die Stadt Tarifa wurde bereits 1292 durch König Sancho IV de Borgoña (1258-1295) wieder katholisch. Seine Statue steht vor der im 10. Jahrhundert erbauten maurischen Burg. Sie wird Heute Castillo de Gúzman genannt. Dies in Ehren des katholischen Stadtwalters Alonso Peréz de Gúzman (1256-1309). Zwei Jahre nach der Rückeroberung versuchten die Mauren die Stadt wieder freizupressen, indem sie Guzmáns Sohn entführten. Guzmán ging nicht auf den Handel ein, verlor seinen Sohn, der daraufhin umgebracht wurde, rettete jedoch die Stadt vor der feindlichen Übernahme und wurde so zur Legende. Die Burg und die Puerta de Jeréz, das alte Stadttor, sind mit der Zone der engen Gassen, die verbliebenen Zeichen der ehemals arabischen Kultur in Tarifa.

Auf der Westseite der Stadt beginnen die kilometerlangen Sandstrände der Costa de la Luz entlang der Atlantikküste, die bis Huelva und an die portugiesische Grenze reichen. Die Playa de Bolonia mit der römischen Ruinenstadt Baelo Claudia an ihrer Seite gehört zu den schönsten Stränden Europas. Wer jetzt denkt, Tarifa strotzt vor teuren Hotels und mondänen Feriensiedlungen, der täuscht sich. Es sind mehr die Camper und Naturfreunde, die mir ihren Brettern und Feldstechern anreisen, denn hier befindet sich eine der besten Zonen für Wind- und Kitesurfen sowie für die Beobachtung der stationierten Zugvögel und der Wale und Delfine. Dieser aktive Tourismus gehört Heute neben der Passagierschifffahrt zu den wichtigsten Einnahmen der Stadt.

📜 Wenn ich in Tarifa bin, stehe ich gerne am Pier des Hafens und beobachte den lebendigen Fährverkehr zwischen den Kontinenten. Die Überfahrt nach Tanger in Marokko ist auch als Tagesausflug sehr attraktiv. Neuerdings verkehren auch moderne Katamarans, um die Touristen in anderthalb Stunden jeweils hin und her zu schiffen. Für diesen Trip nach Afrika benötigt es übrigens kein Visum, es reicht die gültige Identitätskarte, um in Tanger oder Marrakesch ins arabische Ambiente einzutauchen, wo das Essen fein nach Zimt und Muskatnuss schmeckt und um den Ruf des Muezzin auf dem Minarett nicht nur zu ahnen, sondern auch zu hören.