Galizien - Land der 12’000 Kornspeicher

❶❶❼ Auf der Reise durch Galizien fallen sie auf, die unzähligen Hórreos (Kornspeicher) mit ihren sehr individuellen Formen. Sie stehen im Dorf, am Rand einer Siedlung oder mitten auf dem Feld. Die ältesten, noch erhaltenen, stammen aus dem 18. Jahrhundert. Es hat solche dabei, die sind richtige Augenweiden, zieren das Strassenbild oder den Eingang zu einem Gehöft. Andere sind nahezu zerfallen, ihr Aussehen im Originalzustand muss man erahnen.

Kornspeicher treffen wir in Europa an mehreren Orten an. Sie dienten ja auch alle dem gleichen Zweck, nämlich der Überwinterung von Getreide und Mais, gleichzeitig dem Schutz vor Nässe und vor hungrigen Nagetieren. Zu den bekanntesten gehören die meist quadratischen Speicher aus Holz auf vier Stelzen mit einer Mäuseplatte im Wallis. Deren Erscheinung ist überall ungefähr gleich, dies im Gegensatz zu jenen im Nordwesten von Spanien. Sie beeindrucken durch ihre individuelle Gestaltung aus Stein, Mörtel und Holz. Oft sind sie auf dem Dach mit Kreuzen und Obelisken geschmückt, um der Legende nach böse Geister abzuwehren.

In Galizien regnet es pro Jahr etwa 2’000 Millimeter, dies vor allem zwischen Oktober und Mai. Dadurch entsteht eine hohe Luftfeuchtigkeit. Deshalb ist die Existenz der zahlreichen Hórreos gut erklärbar. Bei der hohen Luftfeuchtigkeit wären die Ernten im Winter schnell verrottet. Die Speicher sind Heute wichtige Zeugen der regionalen Architekturgeschichte und seit 1973 in einem staatlichen Register geführt. Selbstverständlich dürfen sie nur als Ruine und mit einer langwierigen Sondergenehmigung entfernt werden. Faszinierend finde ich die individuelle Gestaltung der Hórreos. Zwar sind die meisten rechteckig. Abgesehen davon gibt es keine Regel über Masse, Höhe und Bauweise. Die einen sind richtige Kunstwerke mit kleinen Portalen und gotischen Säulen, bei anderen wurde jenes Baumaterial genommen, was gerade greifbar war und auf die einfachste Weise hingestellt.

Zu den Kunstwerken gehört sicher der Hórreo von Carnota, an der Westküste Galiziens. Mit seinen 36 Metern Länge und 22 Beinpaaren gleicht er von weitem einem Tausendfüssler. Er gilt, zusammen mit einigen anderen, als Denkmal von nationalem Interesse und wird regelmässig unterhalten. Er diente sicher einer ganzen Dorfgemeinschaft. Die kleinen Hórreos teilten sich jeweils nur einige Familien. Ob im Muscheldorf Cambados oder im Landesinneren, überall sind sie anzutreffen, und überall sind sie anders.

📜 Die Hórreos stehen oft nicht direkt an einer Durchgangsstrasse. Es lohnt sich sehr, von den Hauptverkehrsrouten auf den kleinen Strassen entlang der Küste oder durch die Dörfer an den Berghängen zu fahren. Ein eigentliches Freiluftmuseum ist das Fischerdorf Combarro. Vom einfachen Holzbau bis zum Kleinod findest du hier alles auf einem Spaziergang.