Santiago de Compostela - von Weihrauch und Tigerbalsam

❶❹ Trittst du auf dem grossen Platz zwischen der Kathedrale und dem ehemaligen Hotel der Katholischen Könige, siehst du während 24 Stunden tags und nachts ein Kommen und Gehen. Vor allem ein Kommen, denn hier befindet sich das ersehnte Ziel und Zentrum der Pilgerrouten. Müde und glücklich kommen die Pilger an. Die einen legen sich einfach auf den Boden und strecken sich aus, andere öffnen einen Cava, um ihren Sieg über sich selbst zu feiern. Wieder andere ziehen ihre von Schweiss und Tigerbalsam geschwängerten Schuhe aus und lassen diese auf dem Platz stehen.

Ich weilte als Besucherin hier, jedoch mit Respekt und Bewunderung gegenüber den Peregrinos und fand es sehr beeindruckend, wie zahlreich von allen Seiten die Pilger eintrafen. Diese permanente und doch ruhige Vielfalt von Menschen verleiht der Stadt ein besonderes Ambiente. Auch erstaunt die grosse Anzahl der Hotels nicht, denn die Pilgerinnen und Pilger gönnen sich in der Regel etwas mehr Luxus nach Beendigung ihrer Reise. 2-Sterne-Hotels bieten hier ein Jacuzzi an, oder besondere Abendessen, und an den meisten Orten erhalten die Pilgerreisenden einen Rabatt auf Eintritte und Konsumationen. Heute führen verschiedene, längere und kürzere Pilgerwege nach Santiago. Du kannst die Route der Kantabrischen Küste entlang wählen oder die Route, die vom portugiesischen Porto aus via Pontevedra ans Ziel führt. Der Camino Francés, der klassische Pilgerweg via Pyrenäen ist der älteste und international bekannteste. Seine Distanz ab der französischen Grenze bis nach Santiago beträgt 800 Kilometer. Er wurde bereits 1135 in den Schriften über Santiago (Heiliger Jakobus) erwähnt.

Santiago offenbart einige historische Schönheiten, zudem das im zeitgemässen Stil gehaltene Pilgermuseum. Das Wahrzeichen der 2’000 Jahre alten Stadt ist zweifelsohne die Kathedrale. Sie ist die grösste Kirche im romanischen Baustil in Spanien. Der Legende nach wurden die sterblichen Überreste des Apostels Jakobus des Älteren auf dem Gebiet der heutigen Altstadt begraben. Im 8. Jahrhundert wurden diese entdeckt und an ihrer Seite eine kleine Kirche errichtet. Erste regionale Wallfahrten begannen. König Alfonso el Bravo, genannt der Tapfere (1037-1109), liess 1075 den Grundstein zur heutigen Kathedrale legen.

Das Hauptschiff der Kathedrale gleicht ein wenig einem Bienenhaus. Der Kessel mit dem Weihrauch schwenkt über den Köpfen und verströmt seinen besonderen Duft. Für die Pilger ist der Besuch der Kathedrale der krönende Abschluss ihrer Reise. Sie erhalten hier die Compostela, die Urkunde für ihre Reise. Der Portico de la Gloria (Portal der Herrlichkeit) ist das Wahrzeichen und gleichzeitig der beeindruckendste Teil der Kathedrale. Er wurde zwischen 1168 und 1188 von Maestro Mateo entworfen und gestaltet. Das Tor mit der Bildhauerkunst aus über 200 Elementen darf nur geführt besichtigt werden, und fotografieren ist verboten. Auch im Museum der Kathedrale, wo neben vielem anderem die wunderschönen Wandteppiche des ehemaligen Königreichs ausgestellt sind, muss der Fotoapparat in der Tasche bleiben.

📜 Weilst du in Santiago de Compostela, ob zu Fuss, oder einfach um die Stadt zu besuchen, rate ich dir, nie ein leeres Restaurant zu betreten oder an einem Glacéstand anzustehen, wo sich keine Kunden befinden. Die Stadt ist sowieso teuer, und teilweise entspricht der Preis weder Qualität noch Leistung. Zudem sind die Tipps auf den Pilgerportalen oft veraltet, es verändert sich vieles rasch. Deshalb lohnt sich der Spaziergang durch die Altstadt nicht nur wegen der historischen Punkte, sondern auch zum Erkunden der guten Angebote.