❶❻❹ Die Stadt Gandía liegt 65 Kilometer südlich von Valencia an der Costa de Azahar (Orangenblütenküste). Diese Bezeichnung ist sehr passend. In der strandnahen Region der Provinz Valencias sind die Haine voll von Zitrusplantagen, und im Frühling riecht es herrlich nach Orangenblüten. Kurz vor dem Wechsel in die Provinz Alicante und an die Costa Blanca steht Gandía und mitten in der Altstadt der Palast der Borjas, jene Familie, die wir als die Borgias, der berühmten Päpste, kennen.
Vor einigen Jahren flimmerte der Film über die Borgias - das Leben der Päpste - über unsere Fernsehschirme. Insbesondere der zweite Papst aus der Familie, Papst Alexander VI (Rodrigo de Borja 1431-1503) war eine illustre Persönlichkeit. Er galt als herrschsüchtig, brutal und egoistisch. Damals hatte der Papst nicht die Aufgabe, den katholischen Glauben zu verbreiten, sondern die Gebiete der Kirche, und jene seiner Familie, zu sichern und auszubauen. Das Zölibat nahm eine untergeordnete Rolle ein. Es wurde gekriegt, gebetet, geliebt und wenn nötig gemordet. Alexander war ein Mann seiner Zeit, zudem ein politisch hervorragender Stratege. Er stand symbolisch für den Machterhalt des Familienclans, bis das Geschlecht 1748 ausstarb.
Die Familie Borja stammt ursprünglich aus der Kleinstadt Borja im Nordwesten der Provinz Zaragoza. Im 13. Jahrhundert wurden sie vom König geadelt und liessen sich in der Region Valencia nieder. 1485, vor seiner Zeit als Papst Alexander, kaufte Rodrigo Borja das Herzogtum Gandía. Nach seinem Wegzug nach Rom übernahm die Familie das Herzogtum. Francisco de Borja (1510-1572), Urenkel des Papstes, wurde 1543 als vierter Herzog der Familie eingesetzt und gilt als Schutzpatron der Stadt. Er prägte Gandía, förderte das kirchliche und soziale Leben und gründete die Universität der Stadt. Nach dem Tod seiner Frau übergab er Gandía samt Palast seinem Sohn und trat in den Orden ein. Als Jesuitengeneral wurde er im 17. Jahrhundert erst selig, dann heilig gesprochen.
Die Zeit der Borjas war eine goldene Zeit für Gandía. Davon übrig geblieben ist der prunkvolle Palast in der Altstadt. Glücklicherweise wurde er saniert, und die schönsten Teile sind für uns als echten Augenschmaus erhalten geblieben. Beim Durchschreiten der Räume und Betrachten dieses reichen Erbes konnte ich nur erahnen, welcher Glanz von hier als erstrahlte, und ja, welche Intrigen und Entbehrungen auf der anderen Seite dazu führen mussten. Nicht weit vom Palast entfernt, auf der Plaça de l’ Escola Pia, der ehemaligen Universität, stehen die Büsten der für die Stadt wichtigen Borjas. Eine eindrückliche Familie.
📜 Am Rand der Altstadt fällt in einem kleinen Park die historische, von der Witterung etwas mitgenommene Dampflokomotive auf. Diese stammt aus der Zeit der regelmässigen Bahnfahrten entlang des Rio Serpis zwischen Alcoy im valencianischen Hinterland und Gandía von 1893 bis 1969. Ein Teil des ehemaligen Bahntrasses ist als Radweg befahrbar. Dazu habe ich folgendes gelesen: “Er führt durch Schluchten, Tunnels und einsame Bergwelten, ist nicht befestigt oder asphaltiert, teilweise schotterig und ruppig.” Mit einem stabilen Velo, Ausdauer und genügend Verpflegung ist diese Tour bestimmt ein tolles Erlebnis.