❶❸❼ Zweifelsohne war es eine Frau, die uns eine für spanische Verhältnisse eher untypisch schöne Gartenanlage hinterlassen hat. Es sind die prachtvollen Gärten des ehemaligen Jagd- und Lustschlosses von La Granja de San Ildefonso, einen Katzensprung von Segovia entfernt und etwa 100 Kilometer nordwestlich von Madrid, am Fuss der Sierra Guadarrama.
Blenden wir kurz zurück: Im Jahr 1700 übernahm mit Philipp V. von Anjou (1683-1746) der erste König aus dem französischen Hause Bourbon die Herrschaft über die spanische Krone. Hier nannte er sich Felipe V. Die puritanische Strenge der spanischen Königshäuser waren ihm ein Gräuel, ihm sehnte nach etwas verspieltem, etwas romantischem, das sein sensibles Gemüt stärkte und ihn an seinen Geburtsort Versailles erinnerte. Seine zweite Frau, Isabella Farnese (1692-1766), war dafür präzise die Richtige. Felipe V. heiratete sie im Dezember 1714. Nicht nur übernahm die attraktive, eigensinnige und willensstarke gebürtige Italienerin das Szepter in der Aussenpolitik, sondern ebenso die Entscheidungen über die 1721 begonnenen Bauarbeiten für den Palast von San Ildefonso.
Auf dem Areal des Schlosses stand früher eine Granja (grosser Bauernhof), darauf bereits ein erstes Jagdschloss errichtet wurde. Die neue Anlage sollte gleichzeitig als Palast, Kirche und Grabstätte dienen. Isabella setzte sich mit der Idee durch, dass ein ländlicher, mit der Natur verbundener Palast entstand. Viel wichtiger als der Palast waren für sie die Gärten mit den Alleen, den Brunnen, den Wasserspielen und den zahlreichen Figuren. Sie erstrecken sich über eine Fläche von 140 Hektaren und übertreffen die Fläche der Gartenanlagen von Versailles. Eines der Prunkstücke waren die Wasserspiele, gar ein Wasserballett aus bronzenen Figuren. Felipe V war nicht begeistert ob dieser Fülle, er empfand das Ganze als zu verschwenderisch. Doch er liess seine Frau gewähren.
Das Schloss beherbergt Heute ein Museum. An den ausgestellten Objekten ist gut sichtbar, dass La Granja auch nach der Epoche von Felipe V und Isabella zu den beliebten Sommer- und Jagdresidenzen der spanischen Königshäuser gehörte. Aus La Granja stammen noch einige Stücke aus der ersten Kristallglasfabrik Europas, die zum Anwesen gehörte und bereits 1762 geschlossen wurde. Mich selber haben weniger das Museum, das ich etwas beliebig fand, sondern die königlichen Gärten mit seinen 21 Brunnen immens beeindruckt. Sie sind ins natürliche Gelände eingebettet, sehr unterschiedlich angelegt und bieten eine grosse Anzahl von ausgewählten Details, die nach wie vor gehegt und gepflegt werden. Einzig die Wasserspiele sind trocken gelegt, eine Folge des knapper gewordenen Budgets für kulturelle Anlagen und dem Sparwillen des heutigen Königs, sie nur bei besonderen Gelegenheiten fliessen zu lassen. Trotzdem lohnt sich der Spaziergang durch die Gärten sehr. Nimm dir Zeit, auch für die kleinen Schönheiten, du wirst sehen, es ist eine Wohltat.
📜 Seit 1975, nach dem Ende der franquistischen Diktatur, ist Spaniens Staatsoberhaupt wieder ein Familienmitglied des Königshauses der Bourbonen. 2014 hat Felipe VI. (1968-) die Geschäfte seines Vaters Juan Carlos I. (1938-) übernommen. Verglichen mit anderen Königshäusern leben sie eher bescheiden und beschränken ihre Aktivitäten auf wenige ausgewählte Gebäude. Ihre offizielle Residenz ist der Palacio Real in Madrid. Die privaten Gemächer befinden sich am nordwestlichen Rand der Hauptstadt im Zarzuela-Palast. Ausgewählte Empfänge finden auch im Alcázar in Sevilla statt, und die Sommerferien verbringt die Königsfamilie jeweils im Palacio de Almudaina auf der Baleareninsel Mallorca.