Oropesa und die entführte Prinzessin

❶❹❶ Als sich die Mauren zwischen 700 und 800 unserer Zeitrechnung von Andalusien in die Region der Castilla la Mancha in Zentralspanien ausbreiteten, trug sich westlich von Toledo eine seltsame Geschichte zu. Am Südrand der Sierra de Gredos entführten sie eine Prinzessin, nahmen sie als Geisel und hielten sie in ihrer Festung gefangen. Für ihre Herausgabe verlangten sie das Gewicht der jungen Dame in Gold. Der Ort dieser Geschichte nennt sich seither Oro (Gold) pesa (Gewicht). Das Wappen der Stadt bildet diese Geschichte ab, wo die Prinzessin oben auf dem Burgturm steht und eine Waage in ihrer rechten Hand hält.

Oropesa befand sich zur Zeit des frühen Mittelalters inmitten der Geplänkel, der Verluste und Rückeroberungen von Gebieten zwischen den maurischen Kalifen, die von Süden nach Norden drangen und den Truppen der Königreiche von Kastilien und der Extremadura. Da gewann mal der eine, und der nächste schnappte ihm ein Gebiet wieder weg, setzte einen Wachturm oder sogar eine Wehrburg an die Stelle, die er nach dem nächsten verlorenen Kampf wieder verlassen musste.

Bereits viel früher errichteten die Römer im heutigen Oropesa einen Wachtturm, um den Durchgang der römischen Strasse zwischen Mérida und Toledo zu bewachen. Sie betrieben Gasthäuser für die Reisenden, Pferdetränken für die Militärs und überwachten die Warentransporte zwischen Kastilien und der Extremadura im Westen. Die Region war auf dem Feld und im Wald ertragreich an Ernte und Jagd, deshalb ein umworbenes Gebiet. Auf ihren Ruinen liessen die maurischen Kalifen 711 eine Festung bauen. Die beiden Wehrtürme im Süden und im Osten stehen noch.

1085 drang ein Schub von königlichen Kriegern, angeführt von Alfons VI. (1040/41-1109) von León in die Region ein. Sie vertrieben die Mauren endgültig zurück in Richtung Süden, erneuerten die Burg und errichteten eine Stadtmauer um Oropesa. Sie riefen die Bevölkerung dazu auf, sich innerhalb dieser Mauern nieder zu lassen. Ausserhalb könne nicht für ihre Sicherheit garantiert werden. Direkt neben der Burg wurde ein repräsentativer Wohnpalast gebaut. Nach einigen Unterbrüchen und Wechseln der zuständigen Condes (Herzöge) wurde 1459 die feudale Burg mit dem integrierten Palast eröffnet. Nach dem Zerfall der einzelnen spanischen Königreiche hatte die Anlage mit der herrlichen Aussicht über die Sierra de Gredos und die umliegenden Steineichenwäldern keine Funktion mehr.

📜 1930 erwachte die Burg aus dem Dornröschenschlaf, sie wurde als zweiter Parador und gleichzeitig erster in einem historischen Gebäude eingeweiht. Mich hat sie aus zwei Gründen beeindruckt. In den Räumen des heutigen Hotels zeigen zahlreiche Informationstafeln und Fotos die wechselvolle Entstehungsgeschichte auf. Dann ist der ehemalige Balkon der Adelsfamilie verglast und Teil des Restaurants. Hier tafelst du echt spanisch mit einem Ausblick, den du nicht mehr so schnell vergisst und wo du dich zweifelsohne als Prinzessin oder Prinz verwöhnen lassen kannst.