Lucrecia Borja - Dame auf dem Schachbrett der Mächtigen

❷⓿❷ Vor einiger Zeit konnte man in der Burg von Xativa in einem speziell ausgestatteten Zimmer die Geschichte einer der berühmtesten und berüchtigsten spanischen Familien verfolgen, jene der Borjas mit dem illustren und brutalen Papst Alexander VI. (1431-1503). Lucrecia war seine uneheliche Tochter und bis zu ihrem 21. Lebensjahr ein wichtiger Spielball zur Festigung seiner Macht.

Lucrecia Borja kam am 14. April 1480 in Subiaco, einer Kleinstadt ausserhalb von Rom, zur Welt. Die Tochter von Rodrigo Borja, später Papst Alexander VI., war eine der am meisten verleumdeten Frauen der Geschichte. Während langer Zeit wurden ihr als getreue Unterstützerin des spanischen Borja-Clans im Vatikan die übelsten Gräueltaten zugeschrieben. Sicher war sie schön, gescheit und ihres Vaters Lieblingstochter. Als dieser zum Papst erkoren wurde, war Lucrecia die wichtigste Schachfigur und das teuerste Pfand, um mit einer der damals reichsten Familie ein Bündnis einzugehen. Diesen Umstand nutzte ihr Vater gnadenlos aus.

Mit 12 Jahren war Lucrecia bereits zwei Mal verlobt, um die Gebiete der Familien der künftigen Ehegatten an die Borjas zu binden. Beim näheren Hinsehen stellte der Papst jedoch fest, dass es noch einträglichere Verbindungen gäbe. So wurde Lucrecia dem verwitweten Herzog von Mailand versprochen, der Alexander VI entscheidend zur Papstwahl verhalf. Mit 13 Jahren wurde Lucrecia seine Ehefrau, 5 Jahre später war sie wieder ehelos, da der Herzog die Borja-Familie hinterging und nicht die Spanier, sondern die Franzosen unterstützte. Er flüchtete bei Nacht und Nebel aus Rom, da er um sein Leben fürchtete. Ob Lucrecia am misslungenen Mordkomplott beteiligt war oder als Fluchthelferin agierte, bleibt uns verborgen. Nach dieser Episode zog sie sich für ein paar Monate in ein Kloster zurück.

Im Juni 1498 wurde der nächste Ehevertrag aufgesetzt, diesmal mit Alfonso de Aragón (1481-1500), Sohn des Herzogs von Neapel und Neffe des spanischen Königshauses Aragón. Bald fiel er bei den Borjas in Ungnade, da sich der Papst nun gegen Neapel und die Spanier wandte und sich mit den Franzosen verbündete. Lucrecia muss Alfonso geliebt haben, denn sie riet ihm zur Flucht. Doch wollte dieser seine Frau und den inzwischen geborenen Sohn nicht verlassen. Am 18. August 1500 wurde er von den Schergen des Papstes erdrosselt.

In ihrer dritten Ehe, mit dem künftigen Herzog von Ferrara, ebenfalls er hiess Alfonso, emanzipierte sie sich von der Familie. Nach der Hochzeit, am 4. September 1500, zog sie mit ihrem ganzen Gefolge nach Ferrara. Sie weigerte sich fortan, ihrem Vater Gefallen zu leisten. Rom besuchte sie nur noch, um ihn bei Abwesenheiten im Vatikan zu vertreten. Als dieser 1503 starb, zog sich Lucrecia ganz nach Ferrara zurück. Sie förderte das kulturelle Leben und das Gesundheitswesen, wurde verehrt und galt als Mutter des Volkes. Am 24. Juni 1519 starb sie bei der Geburt ihres insgesamt 11. Kindes an Kindbettfieber. Von den Chronisten wurde notiert, dass ihr Mann eine ganze Nacht lang an ihrem Bett bitterlich weinte.

📜 Neuere Dokumente belegen, dass Lucrecia in Norditalien wertloses Sumpfland erwarb und dieses trockenlegen liess. So entstanden Weideland und Ackerflächen für Oliven, Flachs, Wein und vieles mehr. Über 20’000 Hektar sollen es gewesen sein, womit sie grosse Gewinne erzielte, um damit ihre Projekte zu finanzieren. So verliess sie in den letzten Jahren das Schachbrett als wahre Dame. Ihre Skulptur steht auf der Plaça de l’ Escola Pia in Gandía, in der Nähe des Borja-Palastes.