❶⓿❻ Woran denkst du zuerst, wenn du Sevilla hörst? An die Plaza de España, die Giralda oder den Alcázar? Oder an die melancholischen und ausdrucksvollen Tanz-Gesänge des Flamenco? Bei allen kann ich mich stundenlang verweilen. Sie sind wunderschön und historisch einmalig. Doch Sevilla überrascht auch mit Moderne, die nicht wie so oft elitär wirkt, sondern einfach beeindruckt. Es sind die Setas.1832 entstand auf der Plaza de la Encarnación, auf den Ruinen des gleichnamigen Augustinerklosters aus dem Mittelalter, der erste Marktplatz für Lebensmittel und den Hausgebrauch von Sevilla. An etwa 400 Ständen boten die Bauern aus der Umgebung und die Lebensmittelhändler ihre Waren feil. Rasch entwickelte sich der Marktplatz zu einem wichtigen, sozialen Zentrum für die Stadtbevölkerung. Das ging sehr lange gut, bis Mitte des 20. Jahrhunderts die Bevölkerung von Sevilla von ehemals 100’000 auf rund 350’000 anwuchs und die Hygienevorschriften das Fleisch an offenen Marktständen verbot. Im Sommer steigen die Temperaturen in der Stadt bis zu 40 Grad Celsius. Supermärkte eröffneten, und die Marktfahrer verlegten ihre Stände in die ebenfalls dezentral angelegten, neu erbauten Markthallen. Auf der Plaza de Encarnación entstanden temporäre Kleinläden und Parkplätze. Der ehemals kommerzielle und gesellschaftlich wichtigste Ort der Stadt verlotterte.
2004 entschied die Stadtregierung, diesen zum Schandmal verkommene Ort neu zu beleben. Nicht nur eine neue Markthalle soll entstehen, sondern die inzwischen auf 700’000 Menschen angewachsene Bevölkerung soll sich wieder an ihrem ehemaligen wichtigen Begegnungsort erfreuen können. Auf den international ausgeschriebenen Wettbewerb wurden 65 Ideen eingereicht. Mit dem Projekt “Metropol Parasol” (Zentraler Sonnenschirm) gewann der 39-jährige Deutsche Architekt Jürgen H. Mayer mit seinem Team den ersten Preis. Am 6. März 2006 war der Spatenstich für dieses Bauwerk aus Holz, Stahl und Beton. Die netzartigen Elemente des Holzdecks besteht aus 3’500 Teilen. Für deren Konstruktion benötigte es 6’000 Knoten und 16 Millionen Schrauben.
2010 am 19. Dezember eröffnete der neue Mercado de la Encarnación seine Türen. Ein halbes Jahr später wurden die oberirdischen Teile mit dem 28 Meter hohen, begehbaren Sonnenschirm für die Bevölkerung und für den Tourismus frei gegeben. Im Sommer weht hier immer ein leichter Durchzug, die Temperaturen sind erträglicher, und der Ausblick über die Stadt, oben auf der Aussichtsplattform ist phänomenal. Sie ist als 250 Meter lange Passerelle angelegt. Bei Nacht leuchten die Setas im Farbwechsel, und in der Ferne sind die ebenfalls beleuchteten, historischen Monumente gut sichtbar.
📜 Wenn du in Sevilla bist und die Setas besuchen möchtest, suche nach dem offiziellen Namen “Metropol Parasol”. Seinen Übernamen Setas (Pilze) erhielt er sehr rasch wegen der pilzartigen Struktur des durchbrochenen Sonnendachs. Frage auch besser nicht bei älteren Sevillanern nach dem Weg, denn bei diesen ist er bis Heute nicht angenommen worden. Dieser neue Ort ist ihnen zu extravagant und zu modern, dies im Gegensatz zu den Touristen und den jüngeren Menschen der Stadt. Für mich ist es ein echter “Wurf”, der sicher in etlichen Jahren seinen Platz im Katalog der historischen Sehenswürdigkeiten erhalten wird.