❶❽❹ Es gibt sie in Spanien noch, die vergessenen, verwunschenen Orte, abseits der Touristenströme, inmitten von natürlichen Wasserläufen, schmalen Strassen, engen Tälern, tiefen Schluchten, wilden Pflanzen und weidenden Ziegen. Die Ribeira Sacra liegt in Galicien, Spaniens Nordwesten. Früher liessen sich hier die Mönche nieder, gründeten Klöster und Einsiedeleien, lebten asketisch, mit den Erträgen und den Launen der rauen Natur.
Stehst du über der Schlucht von Os Peares, wo sich tief unter dir die Flüsse Miño und Sil vereinen, denkst du vielleicht, diese Flussläufe sind irgendwie mystisch. Ebenso erging es dem Götterpaar Jupiter und Juno, die uns eine der schönen Legenden über die Entstehung der Ribeira Sacra erzählen: Jupiter, total verliebt in die Ribeira Sacra, beschloss, diese Gegend zu besitzen und den Fluss Miño durchfliessen zu lassen. Juno, erbost über den Nebenbuhler Miño, öffnete eine grosse Wunde in dessen Gesicht, worauf Jupiter wiederum an Juno eine tiefe Wunde namens Sil zufügte.
Wir bereisten die Ribeira Sacra von Osten her via Ponferrada. Die Stadt gehört zur Provinz León, ist Grenzstadt zu Galicien und ein bekannter Zwischenhalt auf dem französischen Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Im 11. Jahrhundert wurden die pons ferrata (eiserne Brücke) und die Burg auf dem Hügel erbaut, um den durchreisenden Pilgern den Weg zu erleichtern und sie besser zu schützen. Etwas ausserhalb der Stadt sind die Zeugen des einst florierenden Bergbaus sichtbar. Einzelne Steinbrüche, ein Zementwerk, ansonsten säumen der Rio Sil (Fluss Sil), die Wälder, Wiesen und Weinberge die Umgebung auf der Fahrt.
Nach 100 Kilometern weiter westwärts, immer dem Rio Sil entlang, gelangen wir ins Zentrum der Ribeira Sacra, nach Monforte de Lemos, wo in der Stadt und den 26 zugehörigen Dörfern und Weilern etwa 18’000 Menschen wohnen. Während der Industrialisierung im 19. Jahrhundert war Monforte der Eisenbahnknotenpunkt für den spanischen Nordwesten. Nach der Verlagerung der Industrie an attraktive Standorte haben viele junge Menschen ihre Heimat in der Ribeira Sacra verlassen und in Zentraleuropa Arbeit, oft neue Heimat, gefunden. Mit der Förderung des Weinbaus und des sanften Tourismus konnte die Abwanderung gestoppt werden. Monforte ist Heute regionales und kulturelles Zentrum.
📜 Es lohnt sich, etwas länger in Monforte de Lemos zu bleiben und die historischen Spuren der Stadt zu erkunden. Ihre geschichtliche Hochblüte hatte sie als wichtige Grafschaft Spaniens im Mittelalter. Von Weitem ist der Turm des ehemaligen Grafen auf dem Hügel sichtbar. Der 7. Graf von Lemos, Pedro de Castro und sein Bruder Rodrigo, der Erzbischof von Sevilla, gründeten hier ein Ausbildungszentrum für jesuitische Mönche. Zwischen 1593 und 1767 reisten junge Männer aus ganz Europa hierher, um sich in die Lehren des Ordensgründers Ignatius von Loyola zu vertiefen. Für die Aktivferien werden neben Wandern vor allem Velofahren, Canyoning und Fischen angeboten. Viel Spass.